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Welche Essstörungen gibt es?

cantdoit

Bild: iStockphoto LP / szelmek
Anorexia nervosa // Magersucht // Anorexie
Nicht essen können oder nicht essen wollen? Hungern auf jeden Fall, aber vielleicht auch kotzen? Was ist Magersucht? Eine Krankheit? Eine Modeerscheinung der Zivilisation? Ein Spleen? Eine Sucht? Es gibt viele Definitionen, und viele Formen dieser Krankheit. Nicht nur, dass Betroffene oft selbst keine Krankheitseinsicht haben, die Magersucht gibt einem auch das Gefühl, einen Gewinn aus der Krankheit zu ziehen: Aufmerksamkeit, Zuwendung, Besorgnis. Das heißt aber nicht, dass ein magersüchtiger Mensch absichtlich krank wird - magersüchtig zu werden ist keine "freie Entscheidung".

Ein paar Daten

Im ICD-10, einem Katalog zur Klassifizierung von Krankheiten und Verschlüsselung von Diagnosen, findet man unter den Essstörungen - die übrigens als psychische Erkankungen anzusehen sind (was nicht heißt, dass man es mit einer Essstörung nicht trotzdem auf die Intensivstation schaffen kann...) - folgende Unterteilung der Anorexien:

F50.0 Anorexia nervosa
F50.1 atypische Anorexia nervosa

Für Wissbegierige: Neben dem ICD-10, dem internationalen Katalog, gibt es auch noch den DSM-IV, die amerikanische Diagnosenbibel. Auf diesen will ich hier jedoch nicht weiter eingehen, da er für unser Gesundheitssystem nicht relevant ist.

Nach deutschem System ist also magersüchtig, wer folgende Kriterien "erfüllt":

  • Tatsächliches Körpergewicht mindestens 15 % unter dem zu erwartenden Gewicht oder Body-Mass-Index von 17,5 oder weniger (bei Erwachsenen)
  • Der Gewichtsverlust ist selbst herbeigeführt durch Vermeidung von hochkalorischer Nahrung und zusätzlich mindestens eine der folgenden Möglichkeiten:
    • selbstinduziertes Erbrechen
    • selbstinduziertes Abführen
    • übertriebene körperliche Aktivität
    • Gebrauch von Appetitzüglern und/oder Diuretika
  • Körperschemastörung in Form einer spezifischen psychischen Störung
  • Endokrine Störungen, bei Frauen manifest als Amenorrhö
  • Bei Beginn der Erkrankung vor der Pubertät ist die Abfolge der pubertären Entwicklung gestört

Oder im Klartext:

F50.0 Anorexia nervosa
Die Anorexia ist durch einen absichtlich selbst herbeigeführten oder aufrechterhaltenen Gewichtsverlust charakterisiert. Am häufigsten ist die Störung bei heranwachsenden Mädchen und jungen Frauen; heranwachsende Jungen und junge Männer, Kinder vor der Pubertät und Frauen bis zur Menopause können ebenfalls betroffen sein. Die Krankheit ist mit einer spezifischen Psychopathologie verbunden, wobei die Angst vor einem dicken Körper und einer schlaffen Körperform als eine tiefverwurzelte überwertige Idee besteht und die Betroffenen eine sehr niedrige Gewichtsschwelle für sich selbst festlegen. Es liegt meist Unterernährung unterschiedlichen Schweregrades vor, die sekundär zu endokrinen und metabolischen Veränderungen und zu körperlichen Funktionsstörungen führt. Zu den Symptomen gehören eingeschränkte Nahrungsauswahl, übertriebene körperliche Aktivitäten, selbstinduziertes Erbrechen und Abführen und der Gebrauch von Appetitzüglern und Diuretika.
 
F50.1 Atypische Anorexia nervosa
Es handelt sich um Störungen, die einige Kriterien der Anorexia nervosa erfüllen, das gesamte klinische Bild rechtfertigt die Diagnose jedoch nicht. Zum Beispiel können die Schlüsselsymptome wie deutliche Angst vor dem zu Dicksein oder die Amenorrhoe fehlen, trotz eines erheblichen Gewichtsverlustes und gewichtsreduzierendem Verhalten. Die Diagnose ist bei einer bekannten körperlichen Krankheit mit Gewichtsverlust nicht zu stellen.

Link Weiterführender Link: Wikipedia

Compulsive Eating

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Bulimia nervosa // Ess-Brech-Sucht // Bulimie

Entgegen der weitverbreiteten Meinung heißt es nicht Bulemie, sondern Bulimie :-) mit i. Bulimiker sind auch nicht unbedingt (so) untergewichtig wie Anorektiker, meist bleibt auch genau deswegen die Krankheit so lange unentdeckt. Nach außen sieht man normal aus, innen tobt der Hunger... Bulimie geht dank des wiederholten Erbrechens mit hohen Elektrolytverlusten einher. Auf Dauer kann es zu Herzschäden, Zahnschäden, Haarausfall und so weiter... kommen.

Ein paar Daten

Kriterien des ICD-10, F 50.2 Bulimia Nervosa:

  • Andauernde Beschäftigung mit Essen, unwiderstehliche Gier nach Nahrungsmitteln;
  • Essattacken, bei denen in kurzer Zeit sehr große Mengen an Nahrung konsumiert werden.
  • Versuch dem dickmachenden Effekt von Nahrungsmitteln durch verschiedene ausgleichende Verhaltensweisen entgegenzusteuern: selbst herbeigeführtes Erbrechen, Missbrauch von Abführmitteln, zeitweilige Hungerperioden, Einnahme von Appetitzüglern, Schilddrüsenpräparaten oder Diuretika.
  • Bei Diabetikerinnen kann es zur Vernachlässigung der Insulinbehandlung kommen.
  • Krankhafte Furcht dick zu werden.

Link Weiterführender Link & Quelle: Wikipedia

Compulsive Eating

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Binge Eating Disorder // BED

Eine Krankheit, die im ICD nicht vorkommt, aber trotzdem einen Namen hat. Man könnte sie auch "Bulimie ohne Erbrechen" oder "Anfallsartige Fresssucht" nennen. Die BED ist nämlich gekennzeichnet durch periodisch auftretende Heißhunger-Attacken. Die Betroffenen übergeben sich danach aber nicht, wie bei der Bumlimie, sondern fühlen sich einfach so schlecht. Häufig kommt es dadurch zu Übergewicht (Adipositas).

Ein paar Daten

Wiki sagt:

Die diagnostischen Kriterien für Binge Eating wurden in den 1990er Jahren von der Psychiatrischen Vereinigung in den USA aufgestellt:

  • mindestens zwei Essanfälle pro Woche über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten
  • Kontrollverlust während der Nahrungsaufnahme mit Verlust des Sättigungsgefühls
  • sehr hohe Kalorienzufuhr bei einem Essanfall
  • extrem hastiges Essen („schlingen“)
  • Essen bis zu einem starken Völlegefühl
  • der Essanfall wird nicht durch starken Hunger ausgelöst
  • nach dem Essanfall treten Schuld- und Schamgefühle auf, teilweise bis zur Depression
  • die Betroffenen leiden unter den Essanfällen

Link Weiterführender Link & Quelle: Wikipedia

cantdoit

Bild: iStockphoto LP / szelmek
EDNOS // Eating Disorder Not Otherwise Specified // oder "Am Diagnosen-Wühltisch"

Noch ungenauer als die Beschreibung der BED ist die Definition von EDNOS. Die "Eating Disorder not otherwise specified" - zu deutsch "Essstörung, nicht weiter eingegrenzt" - ist quasi alles, was nicht normal isst, aber weder die Anorexie- noch die Bulimie-Kriterien erfüllt und auch keine Bulimarexie oder atypische Anorexie ist. Ein "Kriterium" ist etwa "Frauen, die die Kriterien von Anorexia nervosa (Magersucht) erfüllen, aber noch regelmäßige Menstruationsblutungen haben" - die Periode entscheidet also über psychisch gesund und psychisch krank... Weitere Punkte sind:

  • wenn alle Kriterien der Anorexie erfüllt sind, aber trotz deutlichem Gewichtsverlust immer noch Normalgewicht vorliegt (→ Body-Mass-Index)
  • wenn eigentlich die Kriterien für Bulimie erfüllt sind, aber „Binge Eating“-Anfälle oder inadäquates Verhalten nach dem Essen seltener als 2x/Woche oder über einen kürzeren Zeitraum als von drei Monaten auftreten
  • bei normalem Körpergewicht inadäquates Verhalten nach der Aufnahme normaler Nahrungsmengen (z. B. selbstinduziertes Erbrechen nach dem Essen von zwei Keksen)
  • große Mengen von Nahrung werden gekaut und danach ausgespuckt, aber nicht geschluckt. (Anm.: "Chew and Spite")

Weiterführender Link & Quelle: Wikipedia

Fazit: Es gibt viele Namen für viele verschiedene Essstörungen und noch viel mehr im Internet dazu zu lesen. Dies soll deshalb nur ein kleiner Überblick sein. Die Definitionen und Kriterien sind durchaus kritisch zu betrachten. Eine Essstörung ist etwas sehr individuelles. Nur weil man nicht in ein Raster passt, heißt das nicht, dass man nicht leidet.

 

Texte/Kommentare: Pola

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